THE FUNDRAISING INSTITUTE
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1494: Vom Bettelvolk

Auszug aus Sebastian Brant (1457-1521): Das Narrenschiff.
"Fundraising-Müdigkeit" ist nichts Neues...

Ich forcht, mir gingen Narren ab,
und untersucht den Bettelstab:
kein Weisheit ich gefunden hob.

Beim Bettel zeigt sich Narrheit viel.
All Welt strebt jetzt nach Geld als Ziel
und will mit Betteln sich ernähren.
Pfaffen und Mönch, die reichen, schweren,
jammern als sein sie alle arm.
Hilf Bettel! Ach, dass Gott erbarm!
Du bist zum Darben auserdacht,
hast doch viel Gut zusammenbracht.
Der Prior schreit: „Bring mehr ins Haus!
Dem Sack, dem ist der Boden aus!"
Desgleichen tun die Heiltumführer,
die Stirnenstoßer, Stationierer,
die keine Kirchweih je auslassen,
auf der sie schreien auf der Gassen,
dass sie hier hätten in dem Sack
das Heu, das tief verstecket lag
unter der Kripp von Bettelheim,
von Balams Esel gar ein Bein,
ein Feder von Sankt Michels Flügel
und von Sankt Georgs Ross den Zügel
oder die Bandschuh von Sankt Claren ...
Mancher schon bettelt in den Jahren,
wo er wohl werken sollt und kunnt,
da er jung, stark ist und gesund,
nur dass er sich nicht gern mag bücken;
ihm steckt ein Schelmenbein im Rücken.
Sein Kinder müssen jung daran,
ohn' Unterlass zum Bettel gahn
und lernen wohl das Bettelgeschrei,
sonst brach er ihnen den Arm entzwei,
ätzt ihnen ein viel Wunden, Beulen,
damit sie könnten schrein und heulen.
Es sitzen vierundzwanzig noch
zu Straßburg in dem Dummenloch,
ohn' die man findt im Waisenkasten.
Doch Bettlervolk tut wenig fasten:
zu Basel auf dem Kohlenberg
da treiben sie viel Bubenwerk.
Mit Rotwelsch kommen sie gewandt
und wohlgenährt durchs ganze Land.
Ein wildes Leben in der Welt:
wie man jetzt aus ist auf das Geld!
Der Krücken trägt bei Tageslicht;
wenn er allein ist, braucht er's nicht.
Der hat die Fallsucht vor den Leuten,
dass jedermann tut auf ihn deuten.
Der leiht von andern Kinder ab,
dass er ein großen Haufen hab.
Der hinken muss, der krumm sich bücken,
der bindt ein Bein auf eine Krücken.
Wenn man ihm untersucht die Wunden,
säh man, was er da hingebunden. —
Zum Bettlerspott nehm' ich mir Zeit,
denn viele Bettler gibt es heut
und mehr und mehr, wohin ich seh,
denn Betteln, das tut niemand weh,
nur denen, die aus Not es treiben,
sonst ist es gut, ein Bettler bleiben:
am Betteln da verdirbt man nit.
Viel leisten Weißbrot sich damit
und trinken nit den schlechtsten Wein,
Elsässer soll's und Reinfall sein!
Gar mancher nährt vom Bettel sich,
der reicher ist als du und ich!